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Grüner Tee - Daten & Studien zur chinesischen und westlichen Wirkung

Grüner Tee (Camellia sinensis) ist eine Art unfermentierter Tee, der die natürliche Substanz frischer Blätter weitgehend beibehält. Nach Wasser ist er das zweitbeliebteste Getränk weltweit.

In diesem Artikel werden seine historische und zeitgenössische Bedeutung sowie relevante Studien dazu vorgestellt. Die Inhaltsstoffe des grünen Tees werden dargestellt und die physiologischen und pharmakologischen Wirkungen, relevante Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen sowie mögliche Toxikologien werden entsprechend ihrer klinischen Relevanz besprochen. Studien haben gezeigt, dass die Tee-Polyphenole mit den Catechinen als Hauptvertreter die größte klinische Bedeutung haben und vielseitig pharmakologisch aktiv sind. Antioxidative, antikanzeröse, antibakterielle, antivirale, hypoglykämische und kardiovaskuläre sowie neuroprotektive Wirkungen konnten nachgewiesen werden. Toxische Wirkungen wie die Hepatotoxizität sind sehr selten und traten vor allem bei sehr hohen Dosierungen von Grüntee-Extrakt und/oder in Zusammenhang mit relevanten Vorerkrankungen oder Wechselwirkungen auf. Zusammenfassend zeigt die Studienlage, dass grüner Tee und Grüntee-Extrakte eine evidenzbasierte Wirksamkeit vor allem in der Gesundheitsfürsorge und Krankheitsprävention haben, zunehmend aber auch in der therapeutischen Anwendung erfolgreich eingesetzt werden.


1 Einführung
Tee ist neben Wasser das weltweit am häufigsten konsumierte Getränk (Wang 2019). Einer der vielen Legenden nach, die sich um den Tee ranken, war es der mythische Kaiser Shennong, der den grünen Tee entdeckte. Der Kaiser, der als Naturkundiger bekannt war, saß mit einer Schale heißen Wassers unter einem Baum, als ihm ein Blatt eines Teestrauches hineinfiel. Er beobachtete, wie sich das Wasser allmählich grün färbte und ein köstlicher Duft aufstieg. Neugierig kostete er davon und fühlte sich danach wunderbar erfrischt und erholt. Damit begann der Siegeszug des grünen Tees (Brody 2019).
Shennong (神農/神农), wörtlich übersetzt „Göttlicher Landmann“, soll um 2800 v.u.Z. gelebt haben und die Menschen im Ackerbau und der Heilpflanzenkunde unterwiesen haben (Abb. 1). Er gilt als Erfinder des Pflugs und als Begründer der Landwirtschaft. Er untersuchte die Pflanzen auf ihre Eigenschaften und die medizinische Wirkung hin. Die Ergebnisse seiner Untersuchungen soll er in einem dreiteiligen Buchband, dem „Shennongs Klassiker der Drogenkunde“ (Shennong bencao jing 神農本草經/神农本草经), zusammengestellt haben. Dieses Gesamtwerk umfasst 365 Kräuter und Substanzen und gilt als erste chinesische Drogenkunde (Yang 1998; Engelhardt und Hempen 2006).

Die Teepflanze wird bereits seit mehreren tausend Jahren in China angebaut, weshalb China auch als Ursprungsland des Tees bezeichnet wird. Wann mit dem Anbau begonnen wurde, lässt sich nicht mehr genau nachweisen. Der früheste schriftliche Beleg für das Trinken von Tee findet sich in China in einem Text der Han-Dynastie (206 v.u.Z.–220 n.u.Z.). In Wang Baos „Vertrag für einen Sklaven“ aus dem Jahre 58 v.u.Z. wird der Sklave verpflichtet, Tee für den Hausherrn zu kochen und stets neuen Tee auf dem Markt in Wuyang zu kaufen, wenn dieser aufgebraucht ist. Wuyang war damals ein bekannter Teemarkt. Allerdings geht man davon aus, dass in Sichuan Teetrinken bereits vor der Han-Dynastie üblich war (Huang 1990).
Als diätetisches Mittel wurde der grüne Tee erstmals von Sun Simiao in den „Wichtigen Rezepturen, die tausend Goldstücke wert sind“ (Qianjin yaofang 千金要方), Kap. 26, um 650/659 (Simiao 1992) und von Su Jing in der „Neu überarbeiteten Drogenkunde“ (Xinxiu bencao 新修本草) 659 erwähnt (Jing 1985). Gegen Ende der Tang-Zeit fand der Tee in allen Schichten des Volkes weite Verbreitung und wurde so allmählich zum wichtigsten Alltagsgetränk (Simoons 1991). Aufgrund der langen Tradition hat sich in China eine besondere Teekultur herausgebildet. Anfangs wurde der grüne Tee vor allem als Heilmittel gegen Müdigkeit, Kopfschmerzen, Konzentrations- und Sehschwäche verwendet, einige Jahrhunderte später auch als Genussmittel. Das gemeinsame Teetrinken diente neben dem Durstlöschen vor allem der Förderung von Freundschaft und Gedankenaustausch. Die verschiedenen Teesitten im Volk zeigen wiederum, dass auch die einfachen Menschen ihre Teekultur hatten. In den Städten entstanden prächtige Teehäuser, die sowohl von Würdenträgern als auch von einfachen Leuten besucht wurden. Händler tauschten hier Geschäftsinformationen aus, Literaten und Gelehrte besprachen hier Kunstwerke, und es wurden hier sogar Streitigkeiten geschlichtet: „Bei einer Tasse duftenden Tees wurde versucht, dass sich die Gemüter der Streithähne legten.“ Mit der Teekultur sind viele Kunstformen eng verbunden, zum Beispiel Gedichte, Lieder, Tänze, Theaterstücke oder Balladen, aber auch Gemälde und Kalligraphien. In Teehäusern konnte man sich auch Akrobatik- und Varietévorführungen ansehen sowie Balladengesänge und Geschichten hören. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass die Teehäuser ein Spiegelbild des chinesischen gesellschaftlichen Lebens waren (Simoons 1991, Pan et al. 2022).


Der Tee wird aus den Blättern des grünen Teestrauchs (Camellia sinensis) bereitet. Die Teepflanze wird zur botanischen Familie der Theaceae und zur Gattung der Kameliengewächse zugeordnet. Da die Camellia sinensis weniger Gerbstoffe aufweist, ist sie für die Herstellung von grünem Tee besser geeignet. Camellia assamica wird somit vor allem für schwarzen Tee verwendet. In China wird Tee je nach Fermentationsgrad in sechs große Teelinien eingeteilt: grüner Tee, schwarzer (in China: „roter“) Tee, weißer Tee, gelber Tee, Oolong-Tee und dunkler (in China: „schwarzer“) Tee (Khan und Mukhtar 2019; Prasanth et al. 2019; Rana et al. 2022; Xu et al. 2019). Beim grünen Tee handelt es sich um einen nicht fermentierten Tee, welcher dadurch mehr natürliche Substanzen in frischen Blättern enthält und einen geringeren Vitaminverlust aufweist, was die Eigenschaften von grünem Tee ausmacht (Parish et al. 2023). Den frühesten Beschreibungen der Teezubereitung zufolge kochte man die gepressten Teeblätter mit Reis in Salzwasser. Im 8. Jh. zerrieb man die angerösteten Teekuchen und kochte sie nur noch mit Salz. Erst in der Song-Zeit (宋朝, 960 bis 1279) verzichtete man auch auf die Zugabe von Salz und brühte nur noch das Teepulver auf. Das Aufbrühen von Teeblättern, wie es heute üblich ist, begann erst in der Ming-Zeit (明朝, 1368 bis 1644) (Engelhardt und Hempen 2006; Pan et al. 2022; Kuhn 1987).


Gibt es seit der Zeit der Entdeckung des grünen Tees wissenschaftliche Daten für seine gesundheitsfördernde Wirkung, oder ist es nur ein „Wellness-Getränk“? Welche pharmakologisch wirksamen Inhaltsstoffe spielen dabei eine Schlüsselrolle?


2 Methoden
Die Daten wurden durch Recherche in PubMed, Google Scholar und Web of Science gesammelt, und sie umfassen den Zeitraum bis Dezember 2023. Ergänzend wurden die aktuellen Referenzlehrbücher wie Porkert, Engelhardt/Hempen, Hempen et al., Bensky et al. und Chen et al. verwendet. Als Suchbegriffe verwendete Schlüsselwörter waren grüner Tee (Camellia sinensis), Inhaltsstoffe, Grüntee-Extrakte, chemische Zusammensetzung, Epigallocatechingallat/Epigallocatechin-3-gallat (EGCG), Pharmakologie, Tee-Polyphenole, Antioxidans, Krebs, Diabetes, antibakteriell, antiviral, Immun-T-Zellen und Toxikologie.

 

3 Das Paradigma des grünen Tees in der chinesischen Ernährungs- und Phytotherapie (Engelhardt und Hempen 2006; Hempen und Fischer 2013; Porkert 1994; Bensky et al. 2015; John und Tina 2003; Shi 1988)

 

Name
Camelliae sinensis folium (chaye)
Chinesische Bezeichnungen
kucha, ming, yacha, chaya, lücha

 

Gruppe
ardor („Glut“, huo) kühlend und zerstreuend, refrigerantia diffundentis ardoris (qing san huo de)

 

Temperaturverhalten
kühl bis Tendenz kalt (weihan)
Geschmack (sapor)
bitter (ku), süß (gan)

 

Wirkrichtung
absenkend (jiang)

 

Orbis-Bezug (Funktionskreis, zangfu)
o. cardialis (Fk „Herz“, xin), o. renalis (Fk „Niere“, shen), o. stomachi (Fk „Magen“, wei), o. lienalis (Fk „Milz“, pi), o. hepaticus (Fk „Leber“, gan), o. pulmonalis (Fk „Lunge“, fei)

 

Wirkung
kühlt calor („Hitze“, re) und leitet ardor („Glut“, huo) aus, leitet calor humidus („Feuchtigkeit-Hitze“, shire) aus, transfomiert humor („Feuchtigkeit“, shi) und pituita („Schleim“, tan), beseitigt Verdauungsblockaden, wirkt diuretisch und entgiftend

 

Kontraindikation
bei algor („Kälte“, hán) bzw. depletio („energetische Schwäche“, xu) der oo. lienalis et stomachi (Fk „Milz“ und „Magen“, pi wei) sowie bei Schlafstörungen.
Übermäßiger Genuss (normale Tagesdosis 3–9 g) kann zu Schlafstörungen, innerer Unruhe, Palpitationen, Kopfschmerzen, Ohrrauschen oder verschwommener Sicht führen. Auf nüchternen Magen sollte der Tee nicht zu stark getrunken werden.

 

4 Grüner Tee aus westlicher Sicht
Grüner Tee ist reich an medizinischen und pharmakologisch wirksamen Inhaltsstoffen. Bis heute wurden über 450 chemische Bestandteile aus Tee isoliert, darunter waren mehr als 400 organische und mehr als 50 anorganische Verbindungen (Zhao et al. 2022). Aufgrund der fehlenden Fermentation behält grüner Tee die ursprünglichen chemischen Bestandteile vollständig bei (Xu et al. 2019). Die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe hängt maßgeblich von der Herkunft, der Sorte, des Alters, dem Boden, Zeitpunkt der Ernte, dem Klima, den Anbaupraktiken, der Behandlung und der Zubereitung ab. Dabei spielt die jeweilige Qualität des Tees, welche sich vor allem im Geschmack und im Gehalt der Inhaltsstoffen widerspiegelt, eine große Rolle. Bessere Qualitäten besitzen in Laboranalysen deutlich höhere Wirkstoffkonzentrationen und sind vor allem harmonischer.
Nachfolgend werden die wichtigsten Bestandteile einzeln aufgeführt und erläutert (Parish et al. 2023; Zhao et al. 2022).

 

 

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Dieser Artikel ist in der SMS-Fachzeitschrift Chinesische Medizin (1/ 2024) erschienen.

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